Schriftgröße: normale Schrift einschalten große Schrift einschalten sehr große Schrift einschalten
 

Ewiger Grenzgänger

Marienborn, den 09.11.2015

Buchpräsentation - Hans Bertram hat in der Gedenkstätte Deutsche Teilung Marienborn aus seinem Buch „Der ewige Grenzgänger“ vorgelesen.

 

Eine gesunde Gesichtsbräune und akkurat gescheiteltes weißes Haar – so setzt sich Hans Bertram (83) aus Wolfsburg hinter sein Buch, um aus seinem Leben zu lesen. Viele der Anwesenden kennen ihn, anderen war er nach der Buchlesung und den Worten von Wegbegleitern kein Unbekannter mehr. Bertram stammt aus Ostingersleben, ging in Helmstedt zur Landwirtschaftsschule. Die Grenze war da schon gezogen worden, er musste sie täglich zweimal auf Schleichwegen durch den Lappwald passieren.

Der Autor erzählt episodisch Erlebnisse, die er bei seinen Grenzgängen immer wieder hatte. „Ich besorgte mir in Helmstedt ein Schreiben mit sehr vielen Stempeln. Das zeigte ich vor, wenn ich auf russische Grenzposten traf“, berichtet Bertram. Das hätte immer großen Eindruck gemacht und die Passage ermöglicht. Als er aber wieder einmal eine Tasche voller Hausschlachtewurst mit nach Helmstedt nehmen wollte, um damit sein Quartier zu bezahlen, halfen auch die Stempel nicht: „Der Posten verlangte, dass ich die Tasche öffnen solle. Noch heute sehe ich seine glänzenden Augen, als er die erste Mettwurst sah. Ich musste alles abgeben.“

Hans Bertram, dessen Vater in Ostingersleben eine Landwirtschaft betrieb, schätzt, dass er die innerdeutsche Grenze etwa 1500-mal legal und illegal passiert hat. Nicht nur auf dem Weg zur Schule. „So mussten wir bei Glätte im Winter von Ostingersleben in Richtung Helmstedt von einem Wagen aus die Straße streuen. Da fuhren wir bis auf die Westseite, dort wurde gewendet.“

Der Autor lässt in seinem Buch nicht nur Einblicke in sein Leben zu, er verbindet die Ereignisse auch mit politischen Hintergründen. So schildert er den plötzlichen Entschluss der Familie, 1953 über Berlin in den Westen zugehen. Die Bodenreform und Enteignungen von Großbauern, zunehmende Diskriminierungen, hätten sie dazu veranlasst. Er, der seine Zukunft als Landwirt auf eigener Scholle sah, stand nun 21-jährig „mit unbeschreiblichen Gefühlen und Tränen in den Augen da und litt unter der Trennung von Heimat, Verwandten und Freunden.“

Aber, so wussten die Zuhörer in der Gedenkstätte bald, Hans Bertram ist ein Kämpfertyp, der immer hundert Prozent gibt. Angelika Jahns, Mitglied des niedersächsischen Landtags, hatte bei der Begrüßung seinen Weg vom „entwurzelten Mittellosen zum erfolgreichen Unternehmer“ geschildert. Großen Erfolg hätte er mit dem Anbau von Erdbeeren gehabt, später auch in der Börde.

Bertram ist seit 2006 Träger des Bundesverdienstordens und passionierter Pilot. Jürgen Bosk vom Vorstand Luftsport Aero Club Braunschweig attestiert ihm „große fliegerische Leistungen auch heute noch.“ Bertram fliegt gern Doppeldecker, begab sich mit dem Leichtflugzeug auf etliche Länderrundflüge. Zu seinem Achtzigsten flog er bis auf die Krim, auch Moskauer oder Landebahnen in Marokko, Spanien und Frankreich hat er schon angesteuert.

Sein Buch „Der ewige Grenzgänger“ sei ein sehr persönliches Werk. Betram wolle sich damit nicht selbst ins Rampenlicht stellen, sondern Erinnerungen gegen das Vergessen wach halten.

 

Foto: Zur Lesung in Marienborn waren auch viele Besucher aus Wolfsburg und Braunschweig gekommen.

 

Text und Foto: Hartmut Beyer - Volksstimme

 

Bild zur Meldung: Ewiger Grenzgänger